Ebbe langt’s – Gallus 4.11.22.

Ebbe langt’s! Solidarisch durch die Krise – das ist die Parole der Ebbe langt’s-Plattform, und das ist auch Forderung und Programm der Initiative Eine Stadt für Alle, für die ich spreche.

Kundgebung an der Galluswarte

Wir beteiligen uns an der Plattform von Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich hier in Ffm gegen die sich verschärfende soziale und politische Krise gebildet hat. Deren Ausmaß und Ende ist noch längst nicht absehbar. Mit allen, die heute zu dieser Stadtteil-Kundgebung aufgerufen haben, sind wir uns darin einig: Ein „Heißer Herbst“ ist notwendig, denn explodierende Lebensmittelpreise, Inflation und die sog. Energiekrise bedrohen unseren Alltag ganz real. Grundbedürfnisse werden für viele unbezahlbar, denn die Ampelregierung macht Klassenpolitik von oben und gegen unten. Kurz und gut: Keine „objektiven“ gesellschaftlichen Probleme werden damit gelöst, stattdessen machen viele Unternehmen und Reichen weitere Milliardengewinne. Einige Konzerne der fossilen Energiewirtschaft schwimmen geradezu  im Geld. Über 60 Milliarden Dollar im letzten Vierteljahr mehr in der Kasse der internationalen Erdöl-Konzerne! Sie machen „Übergewinne“ – und falls die Gewinnmargen sinken, stehen hohe Subventionen aus öffentlichen Mitteln bereit, um das notleidende Kapital zu stützen.

„Wacker im Plus!“, so die Nachrichten von heute vom Börsenparkett. Denn nicht nur unter den Energiekonzernen gibt es Profiteure der aktuellen Krisenentwicklung – nicht zuletzt sind es zahlreiche große Akteure auf dem Immobilienmarkt, die sich an den immer noch steigenden Mieten und den ebenso steigenden Preisen für Wohnungen dumm und dämlich verdienen … und ihre Profite mit „Betongold“ machen. Das Gallus – und mit Marmor, Protz und Langeweile das Europaviertel – ist einer der Stadtteile, wo Investitionen in Betongold anschaulich zu besichtigen sind. Um die Weiterentwicklung von Ffm zur hochpreisigen Finanzmetropole und die Verdrängung von Mieterinnen haben sich im Gallus die Betongold-spezialisten besonders verdient gemacht. Daran hat die Krise nichts geändert! Auf besonders krasse Beispiele wurde und wird in einigen Redebeiträgen heute schon eingegangen, z.B. das Luxus-Wohnhochhaus „Grand Tower“ und das von der ABG realisierte Hochhaus „Eden“. Einen Investor möchte ich hier noch erwähnen, an den man nicht unbedingt denkt, wenn von Betongold die Rede ist: Die landeseigene Nassauische Heimstätte, einstmals dem „Gemeinwohl“ verpflichtet, hat in der Europaallee das Wohnhochhaus Praedium errichtet, „exclusiv“, „stylisch“, „visionär“, „einzigartig“ – für den „anspruchsvollen Kosmopoliten“ – eine 3-Zimmer-Wohnung, 130 qm, gibt’s dort schon für unter 1 Mio. € , nämlich für genau 999.999.-€. Das komplette Kontrastprogramm zu „Eine Stadt für Alle!“ Es ist schon nachvollziehbar, dass gegen die Regierung und die Krisenprofiteure Wut aufkommt. So macht sich eine Rechte bereit, um weit verbreitete Frustration und Wut für ihre Zwecke zu nutzen. Ihr einziges Ziel sind jedoch die Scheinlösungen der Vergangenheit: Abschaffung von sozialen, klimapolitischen, feministischen und antirassistischen Errungenschaften, die von solidarischen Bewegungen erkämpft werden konnten. Auf ihren Transparenten fordern die Rechten nichts anderes als den absoluten Wahnsinn: Ausbau der Atomkraftwerke und Grenzen dicht!  Klimawandel – gibt’s nicht! Diesen Gestalten dürfen wir nicht die Straße überlassen – weder in Ffm  noch in Eisenhüttenstadt! „Es gibt keine Solidarität von rechts“ – das brachte ein Transparent auf einer Kundgebung in Leipzig gegen die Pseudo-Krisenproteste aus der rechten Ecke auf den Begriff. Und das machen die Forderungen der Rechten, die zur Finanzialisierung des Wohnungsmarktes und der Verdrängung der Bewohner*innen des Gallus nichts zu sagen haben, mehr als deutlich.

Redebeitrag Eine Stadt für Alle

Gleichzeitig hat die Ampelregierung aber auch alles dafür getan, dass der rechte Marsch in die Vergangenheit als Pfad in die Zukunft erscheinen kann. Rot und Grün – und keineswegs nur die Porschepartei von Lindner – haben nichts im Angebot als neoliberale Appelle an „Eigenverantwortlichkeit“ und Verzicht, Waschlappen statt Dusche. Bestenfalls als Trostpflaster mal eine „Einmalzahlung“ von 300 Euro, an Hartz IV-Empfangende ebenso wie an Millionär*innen, steuerpflichtig und von allen steuerfinanziert. Gefordert wird „von uns allen“ die Verhinderung einer politischen „Destabilisierung“ durch möglichst klagloses Tragen der Krisenlasten – eine Krise, die ja nicht vom Himmel gefallen ist. Ein unfassbares Hundertmilliarden-Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr wird ohne politische Diskussion, aber mit breiter medialer Propaganda durch die parlamentarischen Gremien gejagt. Die deutschen Rüstungskonzerne jubeln und erhöhen die Dividenden – eine Fortführung des 9-Euro-Tickets zu bezahlbaren Konditionen scheitert dagegen an vermeintlich fehlenden öffentlichen Mitteln.

Verrückte Welt – der alltägliche Wahnsinn, der sich mittlerweile „Realpolitik“ nennt. Als Kampf gegen die Klimakrise wird von der Ampel inklusive Habeck & Co nicht nur die Verlängerung der Laufzeit der AKWs sondern darüber hinaus der Bau von LNG-Terminals für den Import von flüssigem Erdgas „zügig“ angegangen. Diese Politik, die sich unmiss-verständlich gegen die Forderungen der „Fridays for future“-Bewegung richtet, führt unmittelbar in einen fossilen und atomaren Rollback, der die Klimakrise weiter anheizen wird. AKWs, Erdgas und Kohlekraftwerke statt erneuerbare Energie: Mit einer grünen Partei gegen die Klimakrise „kämpfen“, die mit Dürren oder Überschwemmungen vor allem im Globalen Süden längst Alltag ist – das war (bestenfalls) vorgestern.  „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass es besser wird.“ (sagte einst Albert Einstein) Gerade dies zeichnet die aktuelle Ampel-Politik aus. Die Entscheidungen über die Zukunft – hier wie weltweit –  fallen aber letztlich nicht in Kabinetten, Parlamenten oder in einer „konzertierten Aktion“ von Staat, Kapital und Gewerkschaftsführungen – sondern auf der Straße. Für eine solidarische Linke gibt es dabei durchaus Anknüpfungspunkte an soziale Kämpfe und Bewegungen, auch wenn wir von französischen Verhältnissen (z.B. über 100.000 Demonstrierende in Paris) leider noch etwas entfernt sind: Aber Proteste gegen Militarisierung und das 100-Milliardenaufrüstungs-programm, die Tarifkämpfe und Streiks in den letzten Wochen, die Bewegung des Pflege-personals in den Krankenhäusern, die Klimagerechtigkeitsbewegungen, und nicht zuletzt die Kämpfe für bezahlbaren Wohnraum sind BRD-Realität. Die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ – erst in Berlin und aktuell jetzt in Hamburg – steht konkret für Mieter*innen-kämpfe, die nicht auf die „große“ Politik vertrauen. Sie handelt nach dem Motto:
Alles müssen wir selber machen! Und das heißt vor allem ganz konkret für die nächsten Monate: Strom- und Gassperrungen und Zwangsräumungen – nicht mit uns!! Für einen wirksamen Deckel für Strom und Gas, für Lebensmittelpreise und Miete!

Die Aufgaben einer demokratischen und solidarischen Linken liegen für die nächsten Monate klar auf dem Tisch: Wir müssen Protest und Widerstand gegen die herrschende Krisenpolitik unterstützen und selbst organisieren, demokratisch, entschlossen und kontinuierlich. Gegen die Regierungspolitik, gegen „Wumms“-Sprüche und Kanzler-„Machtworte“ – eine Stadt für Alle geht nur gegen die herrschende Politik! Unsere Demos und Proteste in den Frankfurter Stadtteilen können da ein guter Auftakt sein, sie genügen aber bei weitem nicht. Sonst fällt der solidarische „heiße Herbst“ aus und der Winter wird verdammt kalt.

Ebbe langt’s! Die Kräfteverhältnisse zu verschieben, fordert Mut, rebellisches Denken  und langen Atem – und die Fantasie, sich ein Leben in einer Stadt für Alle zu erträumen! Der Kampf geht weiter – er hat gerade erst angefangen! Ebbe langt’s!

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