Forderungen für die Koalitionsverhandlungen zur Frankfurter Kommunalwahl – für ein solidarisches Frankfurt für Alle

Frankfurter Römer
An die Mitglieder und Stadtverordneten
von Bündnis 90 / Die Grünen, SPD, Die LINKE., Volt,
DIE PARTEI, Piratenpartei, ÖkoLinX-ARL und Gartenpartei
Römerberg 23
60311 Frankfurt am Main

Frankfurt am Main, den 8. April 2021

An die Parteimitglieder und Stadtverordneten,

seit Jahren arbeiten verschiedene Initiativen mit verschiedenen Schwerpunkten und Perspektiven für ein solidarisches Frankfurt für Alle. Allzu oft wurde seitens der Parteien und der Stadt Frankfurt nicht mehr getan, als Handeln in Aussicht zu stellen, Forderungen in Wahlprogramme aufzunehmen und nette Worte zu sprechen.

Uns eint der Wille, für ein solidarisches Frankfurt zu kämpfen, das verschiedene Lebensrealitäten mitdenkt und Nachhaltigkeit konkret praktiziert. Es ist für uns an der Zeit, uns nicht mehr mit Ansätzen, Versprechungen oder nur vereinzelten Umsetzungen zufrieden zu geben.

Das Ausmaß und die Dringlichkeit der verschiedenen gesellschaftlichen Notlagen, die wir im Folgenden beleuchten, sind nicht zu unterschätzen. Und mehr noch: Es fehlt weder an Lösungsansätzen noch an Strategien, um einen Wandel hin zu einer solidarischen und klimagerechten Stadt einzuleiten. Diese gibt es bereits seit vielen Jahren; sie wurden mit Sorgfalt und auf Basis langjähriger Erfahrungen erarbeitet. Unsere in diesem offenen Brief zusammengetragenen Forderungen müssen daher die Grundlage von Koalitionsverhandlungen für ein progressives Frankfurt sein.

Sicherer Hafen Frankfurt

Seit Jahren fordert eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung, dass sich Frankfurt endlich zum Sicheren Hafen für Menschen auf der Flucht erklärt, die Evakuierung der Menschen aus den europäischen Lagern vorantreibt und für eine dezentrale sowie menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten in Frankfurt sorgt. Seit Jahren passiert in Frankfurt: nichts. Im letzten Jahr gab es zwar einen Beschluss des Stadtparlaments, Geflüchtete aus dem griechischen Lager Moria aufzunehmen. In Frankfurt angekommen ist bisher aber: niemand. Für das Recht zu gehen, zu kommen und zu bleiben (#LeaveNoOneBehind)!

Selbstverwaltetes migrantisches Zentrum

Geflüchtete, migrantisierte Menschen, Arbeiter*innen aus dem Niedriglohnsektor und LGBTIQ+-Personen, die neu nach Frankfurt kommen, geraten in einen Teufelskreis aus Arbeits- und Wohnungslosigkeit. Ein selbstorganisiertes Zentrum hilft, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Die seit 2014 bestehende Forderung nach einem selbstverwalteten migrantischen Zentrum muss daher von der Stadtpolitik endlich umgesetzt werden.

Bezahlbarer Wohnraum

Wohnen muss endlich wieder bezahlbar sein. Mietenwahnsinn, Leerstand und Verdrängung müssen gestoppt werden, bezahlbare Wohnungen erhalten bleiben. Öffentliche Flächen dürfen nur an gemeinwohlorientierte Akteur*innen vergeben werden. Statt profitorientierter Stadtentwicklung und fetter Renditen für Investor*innen und Wohnungskonzerne, bedarf es eines konsequenten Schutzes von Mieter*innen durch aktiven Milieuschutz und deutlich mehr Sozialwohnungen. Mit den öffentlichen Wohnungsunternehmen müssen die ersten Schritte schnell erfolgen. Wir brauchen keine einzige neue Luxuswohnung, sondern sofort menschenwürdige Wohnmöglichkeiten für wohnungslose und geflüchtete Menschen – zunächst in Hotels (#OpenTheHotels) und langfristig in vollwertigen Wohnungen.

Alternative Zentren erhalten und schützen

Bestehende Freiräume, wie das Wohnprojekt AU, Café ExZess, Club Voltaire und Initiative Faites votre jeu!, müssen erhalten und geschützt werden, anstatt immer wieder den Angriffen von Parteien aus dem Römer und hochgefährlichen Brandstifter*innen ausgesetzt zu werden. Sie stehen für alternative Formen des Zusammenlebens, von Politik und Kultur.

Kulturszene schützen und fördern

Auch die (freie) Theater- und Kulturszene braucht in Frankfurt nicht nur eine konstante Perspektive, sondern konkrete Unterstützung – z.B. durch die Kooperation mit bestehenden Zusammenschlüssen wie dem „Kultursommer Ffm“. Denn nicht nur die Corona-bedingte Schließung mit ungewisser Dauer, sondern auch steigende Mieten stellen ein existentielles Problem dar. Durch die Schließungen während der Corona-Pandemie kämpft die Kulturszene akut um ihre Existenz. Dabei werden (Frei-)Räume für Kultur in Frankfurt dringend benötigt – auch für präventive Projekte, die zum sozialen Frieden in der Stadtgesellschaft beitragen. Bestehende Räume müssen daher geschützt und neue Räume geschaffen und unterstützt werden.

Der Kulturcampus Bockenheim spielt dabei eine große Rolle. Der Verein Offenes Haus der Kulturen hat ein umsetzungsreifes Konzept für die Weiterentwicklung des denkmalgeschützten Studierendenhaus vorgelegt. Darin wird klar, wie aus dem Studierendenhaus das größte soziokulturelle Zentrum für Frankfurt und Hessen wird, bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt und wichtige soziale Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird.

Echte Klimapolitik

Angesichts von Klimakrise und Mietenwahnsinn braucht es eine Notbremse und einen Neustart in der Stadtentwicklungspolitik! Als erster Schritt eines Neustarts: Das Stadtnatur-Areal Grüne Lunge mit seinen mehr als 1000 Bäumen muss bleiben! Auf den bereits versiegelten Randflächen sollte ein solidarisches Quartier mit 100% gefördertem und ökologischem Wohnraum entstehen und das gesamte Areal in demokratisch verwaltetes Gemeinschaftseigentum überführt werden. In Sachen Verkehr muss der Mainkai dauerhaft für Autos gesperrt sein. Für eine klimafreundliche Stadtentwicklung müssen darüber hinaus neue Ansätze wie eine autofreie Innenstadt und kostenloser ÖPNV konsequent und zeitnah umgesetzt werden. Zudem müssen alle Entscheidungen der Stadtpolitik auf ihre Auswirkungen auf das Klima und die sozial-ökologischen Folgen für alle geprüft und ausgerichtet sein, um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten.

Sorgearbeit wertschätzen

Weiterhin hat insbesondere die Corona-Pandemie gezeigt, dass Sorgearbeit, besonders im Gesundheitssektor, nicht weiter warenförmig organisiert werden darf. Es darf kein Zurück zur Normalität vor der Krise geben, da dies die notorische Überbelastung und Unterbezahlung von Sorgearbeitenden bedeutet. Die zuneh­mende Privatisierung von Krankenhäusern und anderen Sorgeeinrichtungen muss aufgehalten beziehungsweise rückgängig gemacht werden. Die gesellschaftliche Anerkennung der sozialen Arbeit muss sich auch in der Bezahlung ausdrücken. Inklusion und Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen müssen ermöglicht und mitgedacht werden.

Mehr sichere Räume für Frauen, Mädchen und LGBTIQ+

Die Frankfurter Frauenhausplätze müssen verdoppelt und Beratungs- und Unterstützungsangebote für Frauen, Mädchen und LGBTIQ+ zur Verwirklichung von Chancengleichheit, Geschlechter- und Bildungsgerechtigkeit ausgebaut werden. Menschen, die sich der LGBTIQ+-Community zuordnen, brauchen mehr sichere Räume. Deshalb ist es dringend notwendig, die aktuell geplanten Kürzungen der städtischen Zuschüsse für Vereine und Initiativen zurückzunehmen, die Rückzugsräume für die LGBTIQ+-Community schaffen.

Rechtsterroristische Netzwerke aufdecken

Als Selbstverständlichkeit erachten wir, dass alle demokratischen Parteien Frankfurts sich ausnahmslos für die lückenlose Aufklärung des NSU 2.0 und aller weiteren rechtsterroristischen Netzwerke in der Frankfurter Polizei einsetzen. Unabhängig davon, ob dies in den eigenen Verantwortungs- und  Zuständigkeitsbereich fällt, fordern wir neben klaren Positionierungen, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt und weitreichende Konsequenzen gezogen werden.

Deshalb fordern wir gemeinsam eine konsequente Umsetzung der folgenden Forderungen:

  • Frankfurt zum Sicheren Hafen machen und die sofortige Aufnahme von Menschen aus den Lagern an den EU-Außengrenzen
  • Bereitstellung von Räumlichkeiten für ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum für Project Shelter
  • Sofortige Umsetzung der Forderungen des Mietentscheids
  • Öffnung der Hotels für Wohnungslose und Geflüchtete und langfristige, menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen für alle Menschen in Frankfurt
  • Erhalt und Schutz sozialer Zentren: AU, Klapperfeld und Exzess
  • Aussetzen von Zwangsräumungen während der Pandemie
  • Unterstützung der freien Theater- und Kulturszene
  • Schaffung der Rahmenbedingungen für die gemeinwohlorientierte, für den Verein Offenes Haus der Kulturen finanzierbare, Übernahme des Studierendenhauses sowie eine Anschubfinanzierung
  • Erhalt der Grünen Lunge und nur Bebauung der bereits versiegelten Flächen mit 100% gefördertem und ökologischem Wohnungsbau
  • Kostenloser ÖPNV und sozial-ökologische autofreie Innenstadt – angefangen mit einem autofreien Mainkai
  • Überprüfung und Ausrichtung aller politischen Entscheidungen auf ihre sozial-ökologischen Auswirkungen
  • Finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung und Anerkennung von Sorgearbeit: mehr Personal, bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen
  • Deutliche Aufstockung der Gelder für präventive, beratende und aufsuchende Angebote der Sozialen Arbeit sowie die volle Refinanzierung des TVÖD bei allen Trägern der Sozialen Arbeit und echte Tariftreueverpflichtung
  • Verdopplung von Frauenhausplätzen und Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten
  • Schaffung von sicheren Räumen für Menschen, die sich der LGBTIQ+-Community zuordnen
  • Sofortige Rücknahme von Kürzungen für kulturelle Vereinen und Institutionen, insbesondere aus der LGBTIQ+-Community, und stattdessen Ausweitung der Unterstützung

Diese Forderungen sind keine Verhandlungsbasis, sondern notwendige Voraussetzung für ein Frankfurt für Alle. Die Forderungen dieses Briefes gehören in die Koalitionsverhandlungen und müssen in dieser Wahl­periode umgesetzt werden. Wir lassen uns nicht mehr mit leeren Versprechungen abspeisen, gemeinsam stehen wir für Solidarität und Gerechtigkeit!

Offener Brief als PDF

Mit freundlichen Grüßen

Initiativen und Einzelpersonen aus Frankfurt und Umgebung

(s. folgende Seite)

Diesen Offenen Brief haben unterzeichnet:

(Stand: 08. April 2021)

· AK069

· Aktiv gegen Speziesismus (AgeSpe)

· Andpartnersincrime

· Arbeitskreis Christy Schwundeck

· AStA Uni Frankfurt

· Attac-Frankfurt

· Aufklärung statt Verschwörungsideologien

· Aufstehen gegen Rassismus RheinMain

· Autonomes Queerfeministisches Schwulenreferat Goethe-Universität

· Bündnis Solidarisch durch die Krise

· Bürgerinitiative Grüneburgpark

· Cafe Kurzschlusz

· Christian Carsten Gaa (Aktivist für Menschen­rechte)

· CopWatch Frankfurt

· Eine Stadt für Alle!

· Feministisches Streikkollektiv Frankfurt

· Frankfurter Jugendring

· Fridays for Future

· Gietinger, Klaus (Autor, Regisseur und Sozial­wissenschaftler)

· Greenpeace Frankfurt am Main

· Hanfinitiative Frankfurt

· Hartz IV Hilfe Offenbach

· Hausprojekt Nika

· Hildebrandt, Ingrid

· HoRsT

· Kampagne Grüne Lunge bleibt – Instone stoppen

· Kein Schlussstrich Hessen

· KoalaKollektiv

· Koalition der Freien Szene

· Koordinierungs-Kreis von ATTAC Frankfurt/Main

· Lateinamerika Gruppe e.V.

· Loick, Prof. Dr. Daniel (Goethe-Universität Frankfurt)

· MädchenbüroMilena e.V.

· MC Kuhle Wampe Frankfurt

· NaturFreunde Frankfurt

· NaturFreunde Hessen

· #NoDiscrimination

· Offenes Antifaschistisches Treffen Frankfurt

· Offenes Haus der Kulturen

· PeopleForFuture Frankfurt

· Playground e.V.

· Project Shelter

· Seebrücke Frankfurt

· Shanti Kollektiv

· Solidarisches Gallus

· Solidarity City Frankfurt

· Sprenger, Klaus (Cinetopia Medienservice GmbH)

· Stadtfreiraum

· Stadtteilinitiative Koblenzer Straße (SIKS) e.V.

· Synnika e.V.

· The Second Planet e.V.

· Ullmer, Richard

· unter_bau

· Vegane Aktion Offenbach (VAO)

· Verband binationaler Familien und Partnerschaften IAF e.V.

· Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes

· voice-design | Werbung, Design & Druck

· Wagenplatz we need homes Ffm

· Women Defend Rojava

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